»Sir« Oliver Mally – Strong Believer

Mono Recordings
Wagna 2012

The Austrian Bluesman is back with a red hot album straight from the blacksmith with the most intense of Blues and a pared down style that only the best achieve, schrieb Frankie Bluesy Pfeiffer, Oliver Mally is one of those Bluesmen who can never stay on the same path and this latest album is proof that this artist is forever changing, always looking for that perfect song, that perfect moment, behauptet Nathalie Nat‘ Harrap.

Auch mir fällt der ständige Wechsel des Südsteirers auf, aber ich denke, sich selbst immer wieder neu zu erfinden ist eine ganz großartige Eigenschaft. Das bedeutet nicht, dass der Hörer mit dem Gehörten gleichermaßen konform gehen muss. Die Scheibe ist nun schon eine ganze Weile am To-Do-Stapel und vielleicht liegt der Grund dafür nur teilweise am Zeitmangel, sondern daran, dass ich diese alte Bluestradition nicht mehr als zeitgenössische Gefühlslage nachempfinden kann und zögere, das auch zu schreiben.

Wir sind doch schon lange nicht mehr diese besoffenen, wehmütigen, „down with the Blues“ Barflies, die nicht wissen, wie sie am nächsten Morgen aus der Wäsche schauen, oder wie das letzte Tattoo entstanden ist.

Ich kenne Oliver zwar nicht persönlich, kann mir aber kaum vorstellen, dass diese Texte mit seinem Leben auch nur das Geringste zu tun haben. Von allen Frauen verlassen (kein Wunder, traditioneller Blues ist meist frauenfeindlich), ziel- und planlos im Dampf dahin zu dösen, nach durchzockten Nächten den Hangover zu kurieren, das sind bestimmt keine realen Situationen für den begnadeten Musiker, der aber genau weiss, wie er die Saiten zu quälen hat, damit er als Strong Believer an den alten Blues glaubhaft rüber kommt.

Wäre eine spannende Herausforderung, wie er den Blues mit heutigen Inhalten präsentieren würde.

Marina Zettl – Watch Me Burn

CoastToCoast Records
Wien 2013

Der Abend war noch jung und so entschloss ich mich spontan, nach der Weihnachtsfeier der Austrian American Association, wo ich die Weizer Autorin Andrea Sailer lesen hörte, einen Sprung in der Postgarage vorbeizuschauen. Dort traf ich Vesna Petkovic, sowie Anita und Günter Brodtrager, die mit Stefan Bauer die Veranstalter der pangea Konzertreihe sind, wo Musik lebt und Volksmusik, Jazz und Pop friedlich koexistieren. Albrecht „Albee“ Klinger von The Base war auch da, der mir ein bisschen über das kommende Album erzählte und Marina Zettl (Wien) und Thomas Mauerhofer, (ebenfalls aus Weiz) betraten gerade die einzigartig durch Lichtketten hinter kupfernen Leiterplatten spärlich beleuchtete Bühne.

Die Namen waren neu für mich, obwohl die beiden – sowohl als Duo und auch als Band – seit 2010 schon drei Alben produziert hatten und Marina seit dem Jazz Sommer Graz anno 2005 in diversen Kollaborationen zu hören war. Seit 2011 unterrichtet die 32-jährige (geboren am 26. August 1982 in Graz) Gesang in Wien. Sogar das Publikum war ein anderes, als ich es in der Postgarage erwartet hätte: Menschen meiner Generation saßen da bequem in rauchfreier Luft und der Beginn war bereits um 20 Uhr angesetzt.

Ich lasse mich also in die gemütlichen Polster sinken und höre mich ein. Die Klänge der 8-seitigen und anderer Gitarren des virtuosen Thomas Mauerhofer ergeben im Zusammenklang mit der quirligen, manchmal gepressten, dann auch mal scharfen und immer klaren Stimme Marina Zettls ein angenehmes Ganzes. Der Unterschied zwischen dem Live-Act und dem Studioalbum „Watch Me Burn“, das ich nach dem Konzert zu Hause höre, ist bei diesen beiden Musikern jedoch gravierend. Auf der Bühne (ohne Schlagzeug) erinnert mich das Paar irgendwie an Angus und Julia Stone, jene Westaustralier, die ich sehr mag und denen ich das Label „Alternative“ geben würde und manchmal kommt auch etwas einer Rebekka Bakken durch, auf dem im Studio produzierten Album (mit Schlagzeug) klingt es jedoch wie Pop, was ich nicht als Kompliment meine. Da braucht sich Marina auch nicht zu wundern, dass sie auf Ö-3 gespielt werden. Natürlich ist es eine Gratwanderung zwischen FM4/Kreativität und Ö-3/Kommerz und man kann es niemandem übel nehmen, die Stücke so zu arrangieren, dass sie leichter verkäuflich sind. Sie ist schließlich eine ausgebildete Jazz-Sängerin (sie studierte 2000–2005 an der Musikhochschule in Graz) und wenn man ein Auge (oder besser ein Ohr) zudrückt, bleiben wunderschöne Balladen, wie „Round & Round“, „Watch Me Burn“ und „Stronger Than Love“, die auf dem Tonträger genau so gut rüberkommen wie auf der Bühne, wo die zierliche Frau sehr sympathisch wirkt.

Berndt Luef Quintett – Chile, 11.09.1973

FOSTA 99/013 records
Graz 2013

Ich kenne Berndt Luef seit einem Auftritt im “Klub Links” circa anno 1978. Und er ist seinem politischen Engagement all die Jahre treu geblieben. So heißt sein neuestes Album Chile, 11.09.1973 und die erste Fassung – seine erste längere Komposition – entstand spontan nach der Nachricht über den faschistischen Putsch in Chile. 1981 hat er diese Komposition für seine damalige Gruppe “Mirror” überarbeitet und in vier Sätzen zu einer Suite zusamengefasst: Land & Bevölkerung / Das Wahlbündnis “Unidad Popular” / Wahlsieg / Todesmarsch, um die Jahre 1969–1973 musikalisch auszudrücken. Im Dezember 2013 hat er es anlässlich des 40. Jahrestages wieder hervorgeholt, für das Berndt Luef Quintett arrangiert und im Musicgarden Studio aufgenommen. Jetzt ist es als nummerierte limitierte Sonderproduktion erschienen. Dieses Album (meine CD trägt die Nummer 41) landete unlängst mit einem handgeschriebenen Begleitbrief in meinem Postkasten.

Allein das verdient im Jahre 2014, wo in der Schule leider kein Wert mehr auf schöne, flüssige Handschrift gelegt wird, weil nur mehr auf einer Tastatur getippt wird, besondere Erwähnung. Berndt ist vom alten Schlag. Nicht so seine Musik. As ehemaliger Schlagzeuger ein Meister am Vibraphon, swingt sich das erste Stück, HZL, leicht in die Ohren, man fühlt einen Hauch Latin-Jazz, denn es ist, wie auch das letzte Stück, Saida, bei Besuchen in Lissabon entstanden und der Nelkenrevolution in Portugal im April des Jahres 1974 gewidmet. Dazwischen erklingt die Chile-Suite in vier Sätzen.

Wenn man als Zuhörer mit der Geschichte vom Putsch in Chile 1973 vertraut ist, machen die Rhythmen und Melodien der vier Sätze, oft getragen vom geschmeidigen Saxofon oder der Zauberflöte des talentierten Mister Dunst, durchaus Sinn. Spätestens im 3. Satz wird man wachgerüttelt, wenn sich unverhofft aus sanften Klängen ein Chaos entwickelt, wobei man erst glaubt, die Aufnahme oder die Tonanlage spiele verrückt, bevor im 4. Satz die Miliz unter General Pinochet einmarschiert.

Aber – und das ist mein einziger Einwand – wenn man nichts oder wenig von lateinamerikanischer Geschichte weiß, erfordert es große Neugier, einem Ereignis ausschließlich durch instrumentalen Ausdruck nahezukommen, wenn es gänzlich ohne Worte Gefühle wie Freude, Zorn oder Trauer vermitteln will. Ich wäre mit dem Thema aus der Quintett Besetzung ausgebrochen und hätte Texte (Pablo Neruda hätte sich angeboten) eingebunden. Aber ich bin kein Jazz-Komponist und schon gar kein so begnadeter Musiker wie Berndt Luef. Daher sind diese 21:15 Minuten immer wieder hörenswert.

Das Berndt Luef Quintett sind Patrick Dunst (Sopransax, Flöte), Stefan Oser (Gitarre), Berndt Luef (Vibraphon, Percussion), Thorsten Zimmermann (Bass) und Viktor Palic (Schlagzeug).

Berndt Luef (oben) im Generalihof und (unten) seine schnellen Hände im Forum Stadtpark | Fotos © Gerald Ganglbauer 2012 und 2014

Tribal Dialects – Home

Session Work Records
Trieste 2014

Es mag unkonventionell sein, die Besprechung des eben erschienenen Debütalbums „Home“ von Tribal Dialects (das sind Patrick Dunst, Sina Shaari, Michael Lagger & Grilli Pollheimer) mit Reflexionen über dessen Verpackung zu beginnen, aber im vorliegenden Fall scheint gerade das der legitimste Einstieg zu sein. Vier Paar bunte Schuhe hat die Künstlerin Azadeh Balash gemalt, achtlos hingeworfene Schuhe, vielleicht jene der vier Jazzmusiker, könnte man sich vorstellen, gerade aus der weiten Welt nach Hause zurück gekehrt.

Eine wunderschöne Metapher für „Heimat“. Man zieht sich die Schuhe dort aus, wo man “daheim” ist. Ich selbst habe mir zum Thema in meinen 25 Jahre fern der Heimat auch so manche Gedanken gemacht. Auf die Schuhe bin ich nicht gekommen. Und die Grafikerin Petra Temmel hat sie wieder in ihre Schuhschachteln gepackt und daraus den Schriftzug für die vier Buchstaben H-O-M-E gebastelt. So hat sie mit diesen Schachteln ein wunderschönes, stimmiges Artwork gestaltet. Im MP3-Zeitalter wahrlich ein Grund, sich doch hin und wieder das eine oder andere Album als Plastikscheibe zuzulegen, auch wenn man sie ohnedies in seine iTunes „Plattensammlung“ kopiert.

Aber nun zur Musik. Im Rahmen der Murszene am Mariahilferplatz waren gestern Patrick Dunst mit zwei von drei Mitgliedern seiner Tribal Dialects auf der Bühne. Nach einem heißen Badetag war mir die Vorstellung angenehm bei Jazzmusik zu chillen, also fuhr ich vorbei, hatte das Glück einen Parkplatz zu finden und war bald in der lauschenden Menge untergetaucht. Leider ohne Kamera, weshalb das Handy für ein paar Fotos herhalten musste. Der Perser Sina Shaari spielte die „Oud“ (eine arabische Laute) als markanten Klangerzeuger für Weltmusik, Grilli Pollheimer sorgte mit wechselnden Perkussionsinstrumenten für den Rhythmus und Patrick Dunst akzentuierte mit Saxofonen, Klarinetten, Flöten und mehr durchwegs lauter Eigenkompositionen des Quartetts, im Encore sogar selber drumboxing (eine Premiere). Das Publikum ging begeistert mit. Hip-Hop meets Jazz.

Tribal Dialects am Mariahilferplatz | Fotos © Gerald Ganglbauer 2014

Als mir Patrick nach dem gelungenen Auftritt vertrauensvoll eine Promo CD des Debutalbums seiner Formation überreichte, war ich noch der Meinung, ich hätte aus dem Stockwerk bereits einmal über ihn berichtet. Sein Name war mir vertraut, aber wir waren uns – nach einer Suche in Gangway – offenbar noch nicht begegnet. Ich hatte allerdings schon ein Album seines Freundes und Pianisten Michael Lagger (von ihm ist das achte Stück „Sehnsucht“ auf „Home“) in Gangway Music vorgestellt und einen Hinweis auf seine Band Tripod in Gangway Specials gebracht. Nun ja, Graz nennt sich zwar die „City of Jazz“, ist aber dennoch eine kleine Stadt, in der jeder jeden über ein paar Ecken kennt. (Six Degrees of Separation.)

Patrick Dunst, der bescheidene Bandleader, ebenso wie ich aus Graz stammend, der in so gut wie alles aus Holz oder Blech hineinbläst und sogar aus einem Grashalm noch bezaubernde Melodien herausholen würde, ist ein sehr sympathischer junger Mann. Das sechste Stück auf dem Album („Prolog/Epilog“) widmet er in einem schlichten Arrangement seiner Heimatstadt Graz, die er, wiederum ebenso wie ich, mit itchy feet verlassen musste. Kollaborationen mit Menschen anderer Teile der Welt sind immer spannend. Ich sehe keine unmittelbare Gefahr in zu vielen Jan Garbareks, die sich Weltmusik auf den Genre-Tag schreiben. Ich schätze den behutsamen Wunsch (persisch: „Arezoo“) nach Frieden auf der Erde, ich genieße die unzähligen Dialekte der Stämme.

„Home“, das erste Album von Tribal Dialects ist ruhig und in sich sehr stimmig, obwohl es sich aus einer Hausaufgabe eines von Patricks Lehrern entwickelt hatte. Es bleibt zu hoffen, dass neue Hausaufgaben weitere Ideen für derart dichtmaschig gewebte fliegende Musikteppiche hervorbringen.

VIECH – VIECH

sevenahalf records
Graz 2013

Neulich hat mir eine Freundin auf YouTube eine junge Grazer Band gezeigt und es war Liebe auf den ersten Ton. Jaaa! gröhlten mir da zwei fesche Jungs ins Ohr: Jaaa! und ich musste sofort mitgröhlen bei „Steuermann“, so heisst das Stück, das sich nach dem Jaaa! mit folgenden Worten ins Ohr, in den Kopf schleicht:

Ziehst mich an den Nasenhaaren / Danke geht schon komm zurecht / Den edlen Freund und Kupferstecher / Schickst du tanzen kommt grad recht / Wenn ich bleib holt mich der Krampus / Masken stehen dir doch zu gut / Recht vor Schönheit da bist du / Wirf den Anker das heisst Gas / Steuermann / Wir fahren gegen Gestern / Ja und dann / Dann und wann / Sehn wir die Gespenster… und wieder gröhlt inbrünstig ein Piratenchor oder der städtische Männergesangsverein oder unbeschwerte Pop Sänger und der Zuhörer gröhlt dazu, was allen sichtbare Freude bereitet während die betrunkene Fahrt mit dem Steuermann fortgesetzt wird:
Darf ich in deinem Hafen parken / Wer schön sein will kommt nicht zu spät / Ziehst vor mir den Masten ein / Ich such dich in den Segeln heim / Gib schonmal das Ruder her / Zieh die Fragen kreuz und quer / Wenn ich in deine Gänge komm / Bau ich auf Nägel ohne Köpfe / Steuermann / Wir fahren gegen Gestern / Ja und dann / Dann und wann / Verhaun wir die Gespenster.

Wow, was für ein schöner schräger Text, der mit unheimlich viel Spass rüberkommt, wenn Andreas Klinger und Paul Plut mit ungewöhnlich instrumentierten Klängen, eingetrommelt mit simplem Beat und ihren einzigartigen Stimmen aus einer Mischung von Samt und Marlboro ihre Lieder intonieren. Ich hatte das Glück, die beiden Backstage bei einem Konzert kennen zu lernen und ziehe meinen Hut. Denn nebenbei arbeitet Andreas Klinger in einem Sozialberuf und Paul Plut ist Volksschullehrer und außerdem noch in einer anderen Band beschäftigt: „MARTA is a garage band with a dirty sound and rock ’n’ roll virtue that has a knack for flexing the pop muscle. We write love songs for losers and sing shanties for seasick sailors“.

Andreas Klinger & Paul Plut live | Fotos © Gerald Ganglbauer 2014

Sehr fleissig. Denn von VIECH gibt es nicht nur die Single „Steuermann“ (2013) sondern bereits ein ganzes Debütalbum – und ein zweites ist in Arbeit. Das kreative und sehr sympathische Duo aus Graz hat sich im September 2011 formiert und ist nicht zu stoppen. Meiner Meinung nach verdient VIECH ein grosses Publikum, das weit über den deutschen Sprachraum hinausgehen könnte. Ich kann mir sehr gut tausende Japaner bei einem Konzert in Tokyo vorstellen, die mitgröhlen: Ja und dann / Dann und wann / Sehn wir die Gespenster… Warum auch nicht, denn man muss ja nicht alles verstehen. Manchmal versteht man Worte nicht einmal in seiner Muttersprache, aber man gröhlt sie trotzdem. Sind wir seekranke Matrosen?

The Little Band from Gingerland – Time Out Time

cracked anegg records
Wien 2012

Irgendwann vor ein, zwei Jahren verabredete sich meine Freundin mit mir im Generalihof, wo diese neue Band spielte, von der ich noch nie gehört hatte. Was ich dort hörte, gefiel mir. Ich schickte Ángela Tröndle einige wacklige Handy-Fotos, wir wurden stille Facebook-Freunde und für eine Weile war das alles. Dann bekam ich eine Einladung zu einem kleinen Jazz-Festival, das Berndt Luef organisiert hatte und ich hörte sie wieder. Es gefiel immer noch und es gab auch bereits ein Debut-Album: “Time Out Time”.

In dieser Besprechung zeigt sich deutlich, wie sich die Arbeit eines Musik-Rezensenten verändert hat. Hätte ich im vorigen Jahrhndert noch wortreich Stück für Stück beschreiben müssen, kann ich heutzutage einfach Links zum iTunes Store einbauen und darauf hinweisen, dass der Leser 30 Sekunden lang in jeden Track hineinhören kann. Und dann kann er mit einem weiteren Klick einzelne Stücke oder gleich das komplette Album online erwerben, was ich dringendst anrate, wenn man einen Hörgenuss abseits vom Mainstream sucht.

Was sich da alles in den letzten Jahren an Technologie entwickelt hat, geht vielen Menschen zwar über den Kopf, aber andererseits ist es – richtig angewandt – auch sehr praktisch, vor allem, wenn man ohnedies verspätet zum Konzert kam, die Nacht lang war und man lieber den Jazz für sich sprechen lassen will, statt dem müden Hirn in aller Früh schon gescheite Beschreibungen dessen abzulocken, was sich einfach anklicken und anhören lässt. Auf nach Gingerland!

The Little Band from Gingerland sind Ángela Tröndle, Sophie Abraham, Siegmar Brecher und Philipp Kopmajer.

»Sir« Oliver Mally & Frank Schwinn – Devils Monkeys Aliens

Mono Recordings
Wagna 2013

Der »Sir« (ich muss ihn einmal fragen wie er zu diesem »Titel« gekommen ist) eröffnete nicht nur das diesjährige MURTION Festival, sondern brachte in seinem Gepäck auch gleich ein neues Album aus der Südsteiermark mit. Seine Heimat bespielt er 23 Jahre lang, und jetzt war es so weit, die Früchte zu ernten. Das Durchhalten hat sich gelohnt, denn die Fans kamen zahlreich auf den Grazer Mariahilferplatz, um ihn zu hören.

Und er hat ihn, den Blues, seit den 90-ern, hat ihn genau so wie die Steirer Leo Kyséla und Ripoff Raskonikov. Nun, da er am 6. Februar 1966 in Wagna geboren wurde, ist er zwar etwas jünger als die Vorgenannten, musiziert jedoch in derselben Tradition, die die Traurigkeit des Blues Gitarristen auch und gerade in der „grünen Mark“ bis in das letze Winkerl ergriffen hat.

Warum auch nicht. Man liebt die sanften Balladen, man geniesst seinen Liebeskummer, man schwelgt in der Vergangenheit – und ein bissl ein Pfeiferl darf auch dabei herumgereicht werden. So ist das Leben, nicht wahr? Hart und weich zugleich, sagt Boris Bukowski. Und immer schön! Doch zurück zur vorliegenden Neuerscheinung.

„Devils Monkeys Aliens“ ist bereits das 23. Album des Künstlers, wenn ich mich nicht verzählt habe. Ob so viele Veröffentlichungen nicht schon inflationär bewertet werden, kann ich nicht beurteilen, weil ich ausser dem kürzlichen Live-Auftritt nur zwei seiner neueren CDs kenne, da in Australien leider nichts von ihm im Radio lief. Es ist kein gefälliges Album, obwohl es auf einer stimmigen Kooperation der beiden gekonnt bearbeiteten Gitarren von Mally und Schwinn basiert, wie das Video Beispiel „Devil’s Child“ aus dem Vorjahr recht deutlich demonstriert. Der Rhythmus der beiden Vollblut-Musiker fährt voll ab. Aber die Lyrics sind schwarz und böse.

Komponiert sind die Stücke zum Großteil von Oliver Mally selbst, einige von Frank Schwinn oder beiden Singer-Songwriters. Nur „The Cape“ stammt aus fremder Feder, nämlich Guy Charles Clark, Susanna Clark und Jim Janosky. Die elf Songs reihen sich in interessanten Abfolge. „Devil’s Gone Fishing“ etwa, oder „One Note And You’re Dead“ stehen vor „Nasty Habits“, dann ist man gar „Trapped“ und hat den „Monkey On My Back“ im „Jungle Land“. Schließlich lädt man ein „Aliens Please Come“, geht aber in 6:27 Minuten ohne zurückzublicken in „Ain’t No Looking Back“. Hört selbst.

»Sir« Oliver Mally & Frank Schwinn „Devils Monkeys Aliens“ | Foto © 2013 Gerald Ganglbauer, Video © 2012 Oliver Mally.

Michael Lagger Trio – Manuskript

Session Work Records
Trieste 2013

Wiederum eine schöne Entdeckung auf der Hör- und Seebühne im Skulpturenpark des ORF Funkhauses in Graz. Gestern zur letzten Veranstaltung der Reihe füllte sich der Rasen derart schnell, dass immer neue Bankreihen aufgestellt werden mussten, ja sogar die Würstel gleich ausverkauft waren. Der erst 30-jährige Grazer Clemens Johann Setz war das Zugpferd, die Jazzformation rund um Michael Lagger die eigentliche Überraschung: Michael Lagger, Lukas Raumberger & Philipp Kopmajer, feat. Clemens Johann Setz.

Zu vom Autor selbst gelesenen Texten schrieb der am 1. Februar 1986 in Klagenfurt geborene Komponist Michael Lagger, der im Rahmen der 36th annual Downbeat Student Music Awards in den Bereichen Jazz Soloist (für seine Komposition „Manuskript“) und Jazz Arrangement (für die Bearbeitung der Tori Amos Nummer „Precious Things“) ausgezeichnet wurde, wundersam durch die Lüfte schwebende Tunes, die einen in der Dunkelheit berührten.

Jene zwei prämierten Werke sind, wie die beiden von mir (in bescheidener Tonqualität) live aufgezeichneten Stücke „Kontaktanzeige“ und „Warum ich kein großer Liebhaber bin“, ebenfalls auf dem neuen Album „Manuskript“.

Auf diesem Konzeptalbum, zu dem Setz – der die anfängliche Schwierigkeit den Einsatz nicht zu verpassen im Studio im italienischen Triest überwunden hat – seine Texte spricht, wachsen die gelesenen Worte durch die Musik, gewebt am Piano, auf dem Laggers Finger spielerisch leicht, manchmal zärtlich, dann wieder schnell, jedoch immer sehr präzise über die Tasten zaubern. Dabei wird er einfühlsam vom an Eberhard Weber erinnernden Lukas Raumberger am Bass, sowie dem hervorragenden Drummer Philipp Kopmajer unterstützt.

Christoph Irrgeher (Wiener Zeitung) sagte über das Album, das quasi die Ideen von „Poesie und Musik“ aus den 80-ern in die Gegenwart extrapoliert, „Dass Text und Musik à la longue immer mehr ineinanderwachsen, ohne einander zu behindern, wirkt dann fast schon natürlich. Ist tatsächlich aber ein Kunststück.“ Und ich kann das nur bestätigen, da Lyrik auch mein Metier war (und immer noch ist).

„Manuskript“ sollte man sich kaufen. Ich kann nur hoffen, dass es noch zu weiteren Symbiosen mit Autorinnen und Autoren kommen wird. So bleibt Jazz eng am Puls der Poesie.

PS.: Der fleißige Kärntner ist (oder war) übrigens auch in folgenden Projekten künstlerisch tätig: Michael Lagger Trio & Clemens Setz / Akrostichon (Tentett) / Akrostichon & Chor / Playgrounds (Leitung: Tjaša Fabjančič) / Patrick Dunst’s Tripod / Angela Tröndle Mosaik / Cantanima (steir. Landesjugendchor; als Solist) / KUG Composers Orchestra / LMfour (Leitung: Lena Mentschel) / enine o four (Leitung: Patrick Thurner) / aura:l sculptures (Leitung: Laura Winkler).

Musiker sind auch Netzwerker. So hat er künstlerisch bereits mit Adrian Mears, Bob Brookmeyer, John Riley, Renée Manning, Charenée Wade, Rex Richardson, Roman Schwaller, Karl-Heinz Miklin, Wolfgang Puschnigg, Ed Partyka u.v.a. zusamengearbeitet. Ein echter Profi, der seit September 2010 darüber hinaus auch Doktorand an der Hochschule für Musik und Theater in München ist. Sehr fleißig, in der Tat.

Leni und der Astronaut – Roses and Pain

ATS Records
Molln 2013

Ich lernte das Jazz Duo aus Bayern und der Oststeiermark erst gestern Abend kennen. Die beiden hatten die Herausforderung angenommen, auf der Hör- und Seebühne im Skulpturenpark des ORF Funkhauses in Graz das Literaturpublikum der Autorin Sophie Reyer mit musikalischen Darbietungen zwischen den Lesungen zu unterhalten. Zugegebenermassen ein schwieriges Unterfangen, die ehrenwerten Damen und Herren zu bewegen, mitzuschnippen. Nun gut, der Applaus bekundete zumindest Gefallen.

Als ich Leni und der Astronaut dort erstmals auf der Bühne erlebte, stellte sich bei mir umgehend das Bild des westaustralischen Duos Angus and Julia Stone ein. Leni (die „Geerdete“, wie sie selbst sagt) und ihr „Astronaut“ mit der Gitarre zeigten dort eine unglaubliche Chemie miteinander und sangen/spielten die Tunes in zarter Verbundenheit. Die Vermutung, dass die beiden auch privat ein Paar wären, erwies sich allerdings als unrichtig.

Peter Taucher hat seine Gitarrensaiten spielerisch im Griff, jazzt und swingt rhythmisch und leicht und gesellt sich tonal gleichberechtigt zur Stimme Leni Mentschels, die auch Gesangs-Lehrerin ist und mich live sehr an eine Katie Melua erinnerte, am Album jedoch eigenständiger klingt. Die zehn allesamt gefälligen Tunes sind etwa zur Hälfte sowohl von Peter als auch Leni getextet und komponiert, schmiegen sich jedoch als Gegensätze wie Welt und Weltraum, Rosen und Schmerz, wunderbar in ein homogenes Album. Die Bilder von Martin Amschl und die grafische Gestaltung der CD sollte auch noch als sehr „anders“ als andere Vocal Jazz Alben Erwähnung finden.

The Base – 15 for the Jukebox 1996–2008

monkey
Vienna 2008

Last night I saw The Base again, this time in a completely different environment, the „Hör- & See- Bühne“ of the Austrian Broadcaster, ORF, nicely playing a couple of tunes between readings of poetry and prose. It was interesting to watch the elderly audience, mostly folks who had been coming to listen to a well known poet, yet found themselves in a rock concert, well, almost. I thought they liked it though, as the queue at the CD stand was longer than the one at the bookseller. Most of the performed songs (like the hit „Not My Dog“) can be found on a somewhat „Best Of The Base“ album: „15 for the Jukebox 1996–2008“.

Their record company monkey says: The Base, das ist gefährlicher Stoff für labile Geister. Zerbrechliche Lyrics, zerschrammter Blues, zerschließener Rock’n’Roll, der auf jene Ganglien-Zone abzielt, die seltsam zu pochen beginnt, wenn man an das Vergangene zurückdenkt und feststellen muss, dass man eventuell einst glücklicher war. Punktum. So music has one dimension more than poetry. Listen for yourself, if you’re one of those „aufgeschlossene Musik-Connoisseurs“ (Bastian Kellhofer). Perhaps you want to hear all your favourite poems sung to you by Norbert Wally.

The Base live im ORF Landesstudio Steiermark, Graz 2013