Heumond aus Mitteleuropa – Wiedergänger

Moloko Plus Records
Schönebeck 2022

Cover artwork von Sarah Earheart

Keine Rentnerband, ja nicht einmal Frührentner, obwohl sich die steirische Indie Band „Heumond aus Mitteleuropa“ bereits 1997 rund um den damals 17-jährigen Schlagzeuger Thomas Antonic aus Bruck an der Mur formiert hatte und und sich 2008 nach ihrer ersten CD Aus dem Sumpf kommt ein Monster mit einer Fischhaut… …und das ist Liebe, Pumpkin Records, auflöste. Jahre später, im Sommer 2022, trafen sich die Musiker in Wien, um die Band für ein einmaliges Projekt wieder zu vereinen, nämlich ihren unveröffentlichten Songs aus 1999/2000 ein neues Leben zu geben.

Die acht Titel des Albums, Der nächtliche Gast, Die Zerstörung des Ich, Was geschieht mir, Letzte Lockung, Königin, Ophelia, Der Wind hat mir ein Lied erzählt, Komm näher von Martin Urban und Thomas Antonic lesen/hören sich wie vertonte Gedichte an und waren es ursprünglich wohl auch. Es sind allesamt Eigenkompositionen der Band, bis auf “Der Wind hat mir ein Lied erzählt”, einem Text von Bruno Balz und Musik von Lothar Brühne.

Ich kann nicht beurteilen, wie sich die Kompositionen seinerzeit live angehört haben, sie waren damals sicher auf der Höhe der Zeit, Indie Rock eben mit mehr oder weniger sprechender Stimme des Leadsingers, der mit klaren Worten auf die Verständlichkeit desTextes Wert legt, oft noch in Loops wiederholt wird um seine Wirkung zu erzielen. Nebenwirkungen gibts in einer aus zehn Personen auch, ein rhythmisches Zucken der (Tanz-)Beine.

„Wach lieg ich träumend in meinem Bette …“ (in: Der nächtliche Gast), „sexuelle Offenbarung immer weiter, immer weiter, treibt mich voran“ (in: Die Zerstörung des Ich), „wir amüsieren uns zu tode… …ich bin enttäuscht“ (in: Was geschieht mir), seien zur thematischen Orientierung zitiert.

Fotos von der Album Release Show im Wakuum, Graz.

Heumond aus Mitteleuropa sind Thomas Antonic: drums, piano, synth, reed organ, samples, background vocals, Martin Urban: lead vocals, Markus Kertz: guitars und Roland Urban: bass.

The Halo Trees – Reverberations Of A Gloomy Summer

Da mir das 2019 erschienene Album Antennas to the Sky der Berliner Indie Rock-Band sehr gut gefallen hat, mache ich hier ausnahmsweise eine Vorankündigung auf die neue EP und zitiere den Pressetext, ohne das Album gehört oder gesehen zu haben. Es bedarf eines großen Vertrauens, dass ich einen Tonträger vorstelle ohne bemustert worden zu sein, aber in diesem Fall ist es kein großes Risiko, denn irgendwie sind The Halo Trees eine Band, die das Versprechen nach Qualität einlösen.

The Halo Trees veröffentlicht am 1. Juli 2022 als Nachtrag zu ihrem 2021er-Album „Summergloom“ eine EP, die schon anhand des Titels „Reverberations Of A Gloomy Summer“ deutlich als Zwillings-Veröffentlichung erkennbar ist. Die 5 Songs der EP sind alle im Zuge der „Summergloom“-Sessions entstanden, fanden aber aus diversen Gründen keinen Platz auf dem Album – sei es, weil sie stilistisch etwas aus dem Rahmen fielen oder nicht rechtzeitig fertig wurden. So klingt „Reverberations Of A Gloomy Summer“ dann auch etwas experimenteller, vielseitiger und stilistisch freier als das letzte Album. 

Mit dem Portishead-Cover „Sour Times“ sowie den beiden Eigenkompositionen „Nothing More To Worry About“ und „Song Of Compassion“ gibt es auf der CD-Variante zudem noch drei Bonus-Tracks, die es bislang nur als Digital-Releases gab. Alle drei Tracks waren im Vorfeld des Albums „Summergloom“ bereits als Digital-Singles veröffentlicht worden, um die Wartezeit auf den Longplayer zu überbrücken. Für die CD-Version, die somit 8 Tracks enthält, wurden auch Mix und Mastering noch einmal überarbeitet. Die CD ist ausschließlich im Winter-Solitude-Shop sowie dem Bandcamp-Shop der Band erhältlich!

Die CD-Release-Party steigt am 30.06.2022 in der Junction Bar Berlin. Bei dieser Show stellen The Halo Trees auch erstmals ihr neues Line-up vor.

Info: www.thehalotrees.com

Bertram – Chamäleon

Voller Sound
Wien 2020

Nicht zu verwechseln ist Bertrams zweites Album mit der leider mittlerweile eingestellten Grazer Band „Saint Chameleon“ und auch nicht mit Gerald Hartwigs 2013 bei Luftschacht erschienener Graphic Novel gleichen Titels. Aber ist es nicht die ursächlichste Eigenschaft dieser tropischen Echse, sich immer wieder ihrer Umgebung anzupassen, die Farbe zu ändern, um sich mit geschickter Zunge die Leckereien zu holen? Tut das auch Bertram, ein Steirer in Wien, wenn er im zehnten Track behauptet, „Ich bin (ein) Berliner?“

Schon Hildegard von Bingen wusste, dass Bertram (eine mysteriöse Heilpflanze) nichts unverdaut lässt.

Ich muss vorausschicken, dass mir sein Debüt Album entgangen ist, aber im ersten Titel des Chamäleon Albums lernen wir bereits, dass ihm die Camouflage eines angesprochenen „Du“ sehr am Herzen liegt, da nichts besser wird (werden kann?). Gut, dass es nur ein Mythos sein soll, aber wenn das nun kryptisch klingt, so zeigen die Lyrics im schick illustrierten Booklet, die allesamt aus seiner (Bertrams) Feder stammen, wie seltsam schön kryptische Texte anmuten können. Und das ist gut so, denn dadurch wird der Freiraum größer, in dem sich jede Hörerin und jeder Hörer einen eigenen Reim darauf machen kann. Ein Phänomen, das wir von „Stairway To Heaven“ kennen.

Bertram © Katze Gilette

Gemeinsam mit dem Schlagzeuger Joe Grindl (der im The YES Studio die Aufnahmen gemischt und mit Bertram alle weiteren Instrumente einspielt hat) produziert das Duo freundlichen Indie Rock, der sich auch an die Grenze zu Pop heranwagt.

Herausragende Tracks sind „Betäubt“ (Yeah, yeah!) und „Sonnenstich“, weil sie andere Töne/Rhythmen/Stimmen anschlagen, aber das tun Bertrams Lieder ohnedies mehr oder weniger alle. Einzig nervig sind die Mantras auf „Amygdala“ und „Hysteria“. Ich mag keine schier endlosen Wiederholungen. Bertram ist dennoch eine interessante Entdeckung und erinnert ein wenig an – Gotye – Somebody That I Used To Know – aus Australien. Du meine Güte, das ist ja schon zehn Jahre her. 2011 lebte ich noch Down Under, wo die Musikszene eine ganz andere war.

Andreas Voller von Voller Sound verdient auch noch eine Erwähnung für ein sehr sorgfältig produziertes Album und kluge Release-Daten: am 04.09.20 erschien die Single „Camouflage“, am 06.11.20 wurde das Album „Chamäleon“ präsentiert und mit einer weiteren Single-Auskoppelung „Hysteria“ am 05.03.21 wieder in Erinnerung gerufen. Lockdown kreativ gut genützt, könnte man sagen.

Offiizielle Website bertram-music.com

Gerald Ganglbauer

Kayomi – Kayomi

Kerberos Records
Wien, 18.6.2021

Ein Debütalbum zu besprechen, ist immer ein gewagter Versuch. Noch größer ist das Risiko, wenn man die Band nicht kennt, keines ihrer Konzerte gehört hat – was in Zeiten der Corona Pandemie gar nicht verwundert – und daher ausschließlich auf die Musik auf einem Tonträger angewiesen ist.

Die Verpackung der CD liefert weitere Anhaltspunkte. Das auf wenige Farben auf schwarzem Hintergrund reduzierte abstrakte Cover trägt nur das geheimnisvolle Wort KAYOMI in Stencelschrift genau in der Mitte, wie auf einer Kiste. Ein auf teuflischem Rot gedrucktesTextheft mit ausnahmslos englischen Lyrics liegt bei. Ist das eine Band aus Wien oder sind das Südseepiraten? Sehen wir sie uns einmal an.

Foto: Bettina Pscheidl

Im FM4 Soundpark definieren sich die fünf Musiker als „Vienna’s own indie rock combo – rooted in the vast legacy of rock“, und weiter, dass sie nicht einfach nur Musik machen, sondern Klangräume schaffen, die das Publikum einbinden. Und dazu fehlt den Bandmitgliedern weder die Ausbildung (Vienna Music Institiut, Musikschule Ottakring) noch das zusätzliche berufliche Engagement, sei es als Musiklehrer, im Kammerorchester oder in der Bigband.

Alexander Kuroll (Sänger, Gitarrist, Texter und ehemaliger Sängerknabe), Alexander Distl (Schlagzeug), Christian Woltron (Flötist und Sänger), Georg Pinter (Bass) und Juliane Weselka (Saxophonistin und Sängerin) machen seit 2019 soliden Rock, fetzige Tanzmusik, die auch inhaltlich Bedeutung hat. Die zwölf Songs auf dem Album sind „eine Fahrt im Mondlicht für die scheinbar ausweglosen Momente auf nächtlichen Straßen“. Im Song „Heal Me“ wird das Quintett quasi zu einer Selbsthilfegruppe für Mental Illness.

Auch die Gottesanbeterin „Yomi“, die sich Juliane als Haustier hält, findet sich im Song „Praying Mantis“, „I’m inside you, sucking up what you offer…“ Autsch.

Offizielle Band Website kayomimusic.com

Gerald Ganglbauer