Nathan Ott Quartett – Continuum

VÖ: 21. 2. 2025
An:Bruch Berlin

Christof Lauer: Tenor and Soprano Saxophone
Sebastian Gille: Tenor, Soprano Saxophone and Clarinet
Jonas Westergaard: Bass
Nathan Ott: Drums

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Recorded direct-to-tape at Bauer Studio Ludwigsburg April 25-26, 2024 wurde als erstes Album des Nathan Ott Quartetts auf seinem neuen interdisziplinären Label An:Bruch released.

Absender uns Empfänger handgeschrieben in der Größe einer Briiefmarke

Mit diesem Kuvert beginnt meine Geschichte mit Nathan Ott, Dozent für Jazzschlagzeug und Didaktik an der Musik Akademie Berlin. Die Adressen in schöner Handschrift, briefmarkengroß, maschinenunlesbar. Der Briefträger brauchte seine Brille um mir die CD in den Carport zu reichen. Ich musste die Beilage in 1 mm Schritgröße unter der Lupe entziffern, etwa von A4 auf A6 verkleinert, aber per Mail vorangekündigt und bestens aufbereitet am Internet nachzulesen.

Nathan Ott (2022) Wikipedia

In Augsburg 1989 geboren, Geige spielend in einer Musikerfamilie aufgewachsen, gings erst 2019 richtig los in Berlin. Dort wuchs nicht nur die eigenwillige Gesichtsbehaarung sondern auch der Status als Jazztrommler, den alle deutschen Kritiker mit Enthusiasmus loben und sich dabei einer höchst poetischen Sprache bedienen, die zu übertreffen ich gar nicht erst ansetze.

Das Album „Continuum“ dokumentiert die langjährige Zusammenarbeit des Quartetts und ist die erste Veröffentlichung auf der neuen Plattform nach „The Cloud Divers“ (2017) und „Shades Of Red“ (2020) auf Unit Records. Gemeinsam spielen sie eine eng kommunizierende, atmosphärisch dichte, zeitgenössische Musik, die Genregrenzen sprengt und zu allen dynamischen Steigerungen fähig ist, ohne jemals an Bodenhaftung zu verlieren. Also sprach der schrullige Musiker auf seiner Website und ich schliesse mich seinen Worten vollinhaltlich an. 2025/26 geht die Band auf Tour und kommt gerne auch nach Österreich.

Website https://nathanott.com/

Karlheinz Miklin – Following Footsteps

session work rec.com
Wien 2023

Karlheinz Miklin jr. – drums
Gerhard Ornig – trumpet
Emiliano Sampaio -guitar
Hrvoje Kralj – bass

Karlheinz Miklin jun. oder schlicht Karl, um nicht mit Papa Karlheinz Miklin sen. verwechselt zu werden, trommelt seit 30 Jahren. Wir kennen einander seit gut zehn Jahren aus der Indie Rock-Szene, waren gelegentlich zusammen im Tonstudio und haben im Probekeller gespielt. Der alte Haudegen ist also definitiv kein Spring Chicken mehr, dennoch hat er nach der Pandemie „following footsteps“ als sein Debütalbum released, erstmalig als Bandleader und federführender Schlagzeuger in einem Genre, das als Hausmusik bei den Miklins gehört und gespielt wurde – Jazz.

Es überrascht eigentlich nicht, dass er sich dreier begnadeter Solisten bedient, um seine eigenen Kompositionen zu spielen. Er hat schließlich auch schon zu Lebzeiten seines Dads im Trio mit Ewald Oberleitner am Bass die Felle geschlagen und mit dem Jazzbeserl gebürstet. Dabei sind ihm wohl so manche Stücke eingefallen, die er mit seinem neuen handverlesenen Quartett perfekt intoniert. Und obwohl er in die Fussstapfen seines Vaters tritt, ist vom Senior nur ein Track auf dem Album, „Tripleing“, und einer von The Base, das fast nicht wiederzuerkennende „Just Another Sky“. Alles andere sind seine Kompositionen. Der Weg zur Jazzmusik zeichnete sich ab. Vor ein paar Jahren gab es bereits ein Album mit Sigi Feigls Big Band Jazz Orchester Steiermark.

Sein Schlagwerk gibt verspielt aber präzise den Rhythmus vor, der immer wieder auch mal gewechselt werden darf, es bleibt dabei ausreichend Raum für die Solisten. Die Trompete des frisch verlobten Südsteirers Gerhard Ornig intoniert auch die schnellsten Passagen, der Bass von Hrvoje Kralj kommt gut zur Geltung und Emiliano Sampaio, brasilianischer Export und Chamäleon der lokalen Jazz-Szene, überzeugt an der Gitarre, dass er nicht nur Posaune spielen kann wie beim Graz Composers Orchestra, jener Big Band, von der sich Miklin auch Ornig geborgt hat.

Miklin und Kralj mit tube’s Gastgeber und Mentor Sigi Feigl

Die Rockmusik wird den zweifachen Familienvater und Mountain Biker nicht auf Dauer verlieren, aber jetzt ist er mit seiner neuen Band Jazzer mit Haut und Haar. Und das ist ein Gewinn für die heimische Szene. Live wieder auf der Bühne beim Village Jazz Festival III.

Web – following-footsteps.at

The Little Band from Gingerland – Time Out Time

cracked anegg records
Wien 2012

Irgendwann vor ein, zwei Jahren verabredete sich meine Freundin mit mir im Generalihof, wo diese neue Band spielte, von der ich noch nie gehört hatte. Was ich dort hörte, gefiel mir. Ich schickte Ángela Tröndle einige wacklige Handy-Fotos, wir wurden stille Facebook-Freunde und für eine Weile war das alles. Dann bekam ich eine Einladung zu einem kleinen Jazz-Festival, das Berndt Luef organisiert hatte und ich hörte sie wieder. Es gefiel immer noch und es gab auch bereits ein Debut-Album: “Time Out Time”.

In dieser Besprechung zeigt sich deutlich, wie sich die Arbeit eines Musik-Rezensenten verändert hat. Hätte ich im vorigen Jahrhndert noch wortreich Stück für Stück beschreiben müssen, kann ich heutzutage einfach Links zum iTunes Store einbauen und darauf hinweisen, dass der Leser 30 Sekunden lang in jeden Track hineinhören kann. Und dann kann er mit einem weiteren Klick einzelne Stücke oder gleich das komplette Album online erwerben, was ich dringendst anrate, wenn man einen Hörgenuss abseits vom Mainstream sucht.

Was sich da alles in den letzten Jahren an Technologie entwickelt hat, geht vielen Menschen zwar über den Kopf, aber andererseits ist es – richtig angewandt – auch sehr praktisch, vor allem, wenn man ohnedies verspätet zum Konzert kam, die Nacht lang war und man lieber den Jazz für sich sprechen lassen will, statt dem müden Hirn in aller Früh schon gescheite Beschreibungen dessen abzulocken, was sich einfach anklicken und anhören lässt. Auf nach Gingerland!

The Little Band from Gingerland sind Ángela Tröndle, Sophie Abraham, Siegmar Brecher und Philipp Kopmajer.