FOSTA 99/013 records
Graz 2013
Ich kenne Berndt Luef seit einem Auftritt im “Klub Links” circa anno 1978. Und er ist seinem politischen Engagement all die Jahre treu geblieben. So heißt sein neuestes Album Chile, 11.09.1973 und die erste Fassung – seine erste längere Komposition – entstand spontan nach der Nachricht über den faschistischen Putsch in Chile. 1981 hat er diese Komposition für seine damalige Gruppe “Mirror” überarbeitet und in vier Sätzen zu einer Suite zusamengefasst: Land & Bevölkerung / Das Wahlbündnis “Unidad Popular” / Wahlsieg / Todesmarsch, um die Jahre 1969–1973 musikalisch auszudrücken. Im Dezember 2013 hat er es anlässlich des 40. Jahrestages wieder hervorgeholt, für das Berndt Luef Quintett arrangiert und im Musicgarden Studio aufgenommen. Jetzt ist es als nummerierte limitierte Sonderproduktion erschienen. Dieses Album (meine CD trägt die Nummer 41) landete unlängst mit einem handgeschriebenen Begleitbrief in meinem Postkasten.
Allein das verdient im Jahre 2014, wo in der Schule leider kein Wert mehr auf schöne, flüssige Handschrift gelegt wird, weil nur mehr auf einer Tastatur getippt wird, besondere Erwähnung. Berndt ist vom alten Schlag. Nicht so seine Musik. As ehemaliger Schlagzeuger ein Meister am Vibraphon, swingt sich das erste Stück, HZL, leicht in die Ohren, man fühlt einen Hauch Latin-Jazz, denn es ist, wie auch das letzte Stück, Saida, bei Besuchen in Lissabon entstanden und der Nelkenrevolution in Portugal im April des Jahres 1974 gewidmet. Dazwischen erklingt die Chile-Suite in vier Sätzen.
Wenn man als Zuhörer mit der Geschichte vom Putsch in Chile 1973 vertraut ist, machen die Rhythmen und Melodien der vier Sätze, oft getragen vom geschmeidigen Saxofon oder der Zauberflöte des talentierten Mister Dunst, durchaus Sinn. Spätestens im 3. Satz wird man wachgerüttelt, wenn sich unverhofft aus sanften Klängen ein Chaos entwickelt, wobei man erst glaubt, die Aufnahme oder die Tonanlage spiele verrückt, bevor im 4. Satz die Miliz unter General Pinochet einmarschiert.
Aber – und das ist mein einziger Einwand – wenn man nichts oder wenig von lateinamerikanischer Geschichte weiß, erfordert es große Neugier, einem Ereignis ausschließlich durch instrumentalen Ausdruck nahezukommen, wenn es gänzlich ohne Worte Gefühle wie Freude, Zorn oder Trauer vermitteln will. Ich wäre mit dem Thema aus der Quintett Besetzung ausgebrochen und hätte Texte (Pablo Neruda hätte sich angeboten) eingebunden. Aber ich bin kein Jazz-Komponist und schon gar kein so begnadeter Musiker wie Berndt Luef. Daher sind diese 21:15 Minuten immer wieder hörenswert.
Das Berndt Luef Quintett sind Patrick Dunst (Sopransax, Flöte), Stefan Oser (Gitarre), Berndt Luef (Vibraphon, Percussion), Thorsten Zimmermann (Bass) und Viktor Palic (Schlagzeug).
Berndt Luef (oben) im Generalihof und (unten) seine schnellen Hände im Forum Stadtpark | Fotos © Gerald Ganglbauer 2012 und 2014