Attwenger – Drum

Tricont
München 2021

Ich sags mal ganz frech: Attwenger sind die Oberösterreich-Version der britischen Sleaford Mods, sogar ihre Alben sehen einander in Gelb und Rot farblich ähnlich, wobei das englische Duo seine „Spare Ribs“ in modernem Digipak feil bietet, „Drum“, Attwengers neuntes Album seit „Most“ (1991) immer noch in altmodischem Plastikschachtel-Umweltmüll verkauft wird. Audio CDs sind eh am Aussterben, heißt es dazu, der Renner aus dem Merchandise-Koffer war eindeutig die LP in rotem Vinyl.

Gut, es soll ja nicht nur die Verpackung, sondern auch der Inhalt besprochen werden, obwohl es dem Markus Binder, Text und Gesang, gar nicht geheuer war, dass ich in aller Bescheidenheit am Ende der Schlange eine CD zur Besprechung eingefordert habe.

Endlich, im dritten Anlauf zum Inhalt, von dem ich im Konzert so ziemlich gar nichts verstanden habe, aber gut, den kann der geneigte Käufer eines Tonträgers ja nachlesen, weil OÖ-Slang und Zungenbrecher es einem gelernten Steirer halt nicht leicht machen.

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Witzig sind die beiden allemal, und wer nix versteht kann gut dazu abtanzen, denn die Musik fetzt ordentlich mit live gespieltem Schlagzeug vom Markus Binder und elektrifizierter Knöpferl-Harmonika von Hans-Peter Falkner. Alles, was auf dem Album sonst noch mit Studiomusikern aufgenommen war, wird aus der Konserve zugespielt.

Fotos und Film © 2023 Gerald Ganglbauer

Ist ja nix Neues, das Duo ist doch schon ein paar Jährchen unterwegs und hat eine breite Fan-Gemeinde, wie es sich in der knallvollen Grazer Postgarage, auch nicht zum ersten Mal, deutlich zeigte. Wie die Engländer. Aber jetzt ist genug mit Vergleichen.

Wer nicht in den Besitz der Lyrics gekommen ist, dem sei zum besseren Verständnis abschließend auszugsweise Track 15 [2:30] zitiert:

i dram vo an drum
auf dem hau i umadum
und i drommid do herum
irgendan tschakkabum

drum is a dram
a traumhoftes drum
und i dram vo dem drum
und i drommit umadum

[zehn weitere Strophen]

i drommit und i drommit
und i drommid und i dram
und i dram vo dem drummin
vo dem drummin auf dem drum

Markus Binder

Rebekka Bakken – Always On My Mind

Sony Music 2023

Die glockenklare Stimme aus dem Norden, die mit dem leichten „Country“ Zungenschlag, die jeden Liebeskummer nährt und zugleich lindert, diese unverkennbare Stimme ist zurück.

Natürlich ist die Rede von Rebekka Bakken, der wunderschönen Norwegerin, die viele von uns schon gut zehn Jahre begleitet und getröstet hat, wenn das Herz gebrochen war und Liebe weh tat. Diesmal jedoch nicht mit eigenen Worten, sondern Coverversionen von Liedern, die ihr Leben und Schreiben musikalisch inspiriert haben. Kein Wunder, wenn diese Lieder nach ihrer Behandlung wie ihre Originale klingen. Nick Cave ist kaum mehr zu erkennen, aber das macht nichts, denn es ist schließlich ihr Album, kitschig schön. Taschentücher bereit halten, es wird alles wieder gut, sometimes.

Am 2.10.2023 im Konzerthaus, Wien, am 3.10.2023 im Orpheum, Graz, und am 4.10.2023 im Posthof, Linz kann man sie wieder einmal live sehen und sich von ihrer Erscheinung und sanften Liedern verzaubern lassen. It must have been love, but it’s over now.

Rebekka und ich, Graz, am 3. Oktober

Vielleicht stelle ich ihr backstage ein paar Fragen über die Liebe, auf die nicht einmal Gerti Senger Antworten zu haben scheint. Einzig die Zeit heilt alle Wunden, heißt es, oder Shoppen beim Kastner & Öhler.

Mit 53 sieht sie noch verdammt gut aus

Ihr Leben erzählt sie in Songs, zwei pro Ex, einen mit Liebe und einen zum Break-up. Mitte 50 ist sie Single, da ist das so (kann ich bestätigen). Danach will sie den Ex nimmer sehen, mit einer Ausnahme, wo sie sogar seiner neuen Freundin ein Lied geschrieben hat.

Ich kann mich Ludwig Hirsch vollinhaltlich anschliessen: Rebekka, ich liebe dich.

Gerald Ganglbauer

Heumond aus Mitteleuropa – Wiedergänger

Moloko Plus Records
Schönebeck 2022

Cover artwork von Sarah Earheart

Keine Rentnerband, ja nicht einmal Frührentner, obwohl sich die steirische Indie Band „Heumond aus Mitteleuropa“ bereits 1997 rund um den damals 17-jährigen Schlagzeuger Thomas Antonic aus Bruck an der Mur formiert hatte und und sich 2008 nach ihrer ersten CD Aus dem Sumpf kommt ein Monster mit einer Fischhaut… …und das ist Liebe, Pumpkin Records, auflöste. Jahre später, im Sommer 2022, trafen sich die Musiker in Wien, um die Band für ein einmaliges Projekt wieder zu vereinen, nämlich ihren unveröffentlichten Songs aus 1999/2000 ein neues Leben zu geben.

Die acht Titel des Albums, Der nächtliche Gast, Die Zerstörung des Ich, Was geschieht mir, Letzte Lockung, Königin, Ophelia, Der Wind hat mir ein Lied erzählt, Komm näher von Martin Urban und Thomas Antonic lesen/hören sich wie vertonte Gedichte an und waren es ursprünglich wohl auch. Es sind allesamt Eigenkompositionen der Band, bis auf “Der Wind hat mir ein Lied erzählt”, einem Text von Bruno Balz und Musik von Lothar Brühne.

Ich kann nicht beurteilen, wie sich die Kompositionen seinerzeit live angehört haben, sie waren damals sicher auf der Höhe der Zeit, Indie Rock eben mit mehr oder weniger sprechender Stimme des Leadsingers, der mit klaren Worten auf die Verständlichkeit desTextes Wert legt, oft noch in Loops wiederholt wird um seine Wirkung zu erzielen. Nebenwirkungen gibts in einer aus zehn Personen auch, ein rhythmisches Zucken der (Tanz-)Beine.

„Wach lieg ich träumend in meinem Bette …“ (in: Der nächtliche Gast), „sexuelle Offenbarung immer weiter, immer weiter, treibt mich voran“ (in: Die Zerstörung des Ich), „wir amüsieren uns zu tode… …ich bin enttäuscht“ (in: Was geschieht mir), seien zur thematischen Orientierung zitiert.

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Fotos von der Album Release Show im Wakuum, Graz.

Heumond aus Mitteleuropa sind Thomas Antonic: drums, piano, synth, reed organ, samples, background vocals, Martin Urban: lead vocals, Markus Kertz: guitars und Roland Urban: bass.

Martin Listabarth – Dedicated

Listabarth Records
Wien 2021

Cover von „Dedicated“

„Short Stories“ ist der Titel am Cover des Debütalbums von Martin Listabarth, „Dedicated“ auf seinem zweiten, und beides stimmt. Als ich die zehn Stücke des Wiener Pianisten und Komponisten live im Grazer tube’s erlebte, dachte ich sogleich an Kurzgeschichten, die er mit jeder Taste des Konzertflügels virtuos erzählt. „Dedicated“ ist noch präziser, denn jedes der Stücke ist einer Person gewidmet, die in seinem Leben eine Bedeutung hatte und Inspiration für die jeweilige Komposition war. Eine interessante Liste, von zeitgenössischen Erzählern wie Michael Köhlmeier zu Alan Turing, dem Mathematiker, der den Code der Nazis entschlüsselte, vom Fußballstar Diego Maradona bis zur früh verstorbenen Oma, die er nur von Bildern kannte.

Cover von „Short Stories“

Wie nahe sich Sprache und Musik kommen können, beweist er im letzten Stück, „Dreams of Dreams“, das Antonio Tabucchi gewidmet ist, einem seiner Lieblingsautoren.

Ich hatte mir ein „Köln Concert“ vorgestellt, doch anders als Keith Jarrett unterbrach Martin Listabarth seinen Klaviervortrag zwischen den Stücken und erzählte, wie die Kompositionen entstanden. Das machte ihn sehr sympathisch und baute gleichzeitig eine Brücke ins Publikum. Außerdem blitzte eine weitere Bedeutung des Wortes „Dedication“ durch, denn wie sonst hätte er eine solche Fingerfertigkeit mit den schwarz-weissen Tasten erlangt als durch strenge Hingabe an die Musik. Ach ja, Fußball spielt er auch noch.

Jazz-Pianist Martin Listabarth mit seinem Solo Programm im tube’s und auf martinlistabarth.at

Karo Lynn – A Line In My Skin

Strays Don’t Sleep Records
VÖ: 25. November 2022

Ah, das ist eine Stimme! Strays Don’t Sleep Records können sich glücklich schätzen, eine weisse Joan Armatrading in Leipzig entdeckt zu haben. Es ist zwar nicht mehr 1982 in Birmingham, aber ein Neuling ist sie in Deutschland auch wieder nicht. Bis neue deutsche Musikerinnen und Musiker in Österreich ankommen, dauert es wie mit einer Bestellung vom OTTO Versand manchmal eben etwas länger.

„A Line In My Skin“ ist ihr drittes Album, das mit ihrer einzigartigen Stimme traurige Balladen in düsteren Klangwolken und grauen Fotografien von Antje Kröger beinhaltet. Davor war „Outgrow“ erschienen, ein viel schlichteres, beinahe fröhliches Singer-Songwriter Album. Man vermutet eine Zäsur in ihrem jungen Leben. „Are you shaking, or am I“ fragt sie und stellt fest „times transforms“, ihre Lyrics sind voll solcher Andeutungen.

Wenn du jetzt auf die Musik aus Leibzig neugierig geworden bist, das Label wird demnächst eine Single auskoppeln: „when all is still the same“ (VÖ: 26. August 2022). Auf das neue Album wirst du leider noch eine gute Weile warten müssen. Neun Tracks sind fertig gemischt, zwei sind noch in Arbeit. Karo Lynn produziert gewissenhaft und das Warten wird sich lohnen, versprochen!

„when all is still the same – gefangen in einer Endlosschleife; Gedanken, die sich im Kreis drehen und immer wieder zum selben Schluss führen. Und eigentlich ist es sinnlos, das durchbrechen zu wollen, denn egal wie sehr ich es versuche, es zieht mich nur tiefer in diesen Strudel hinein.“

Karo Lynn

The Halo Trees – Reverberations Of A Gloomy Summer

Da mir das 2019 erschienene Album Antennas to the Sky der Berliner Indie Rock-Band sehr gut gefallen hat, mache ich hier ausnahmsweise eine Vorankündigung auf die neue EP und zitiere den Pressetext, ohne das Album gehört oder gesehen zu haben. Es bedarf eines großen Vertrauens, dass ich einen Tonträger vorstelle ohne bemustert worden zu sein, aber in diesem Fall ist es kein großes Risiko, denn irgendwie sind The Halo Trees eine Band, die das Versprechen nach Qualität einlösen.

The Halo Trees veröffentlicht am 1. Juli 2022 als Nachtrag zu ihrem 2021er-Album „Summergloom“ eine EP, die schon anhand des Titels „Reverberations Of A Gloomy Summer“ deutlich als Zwillings-Veröffentlichung erkennbar ist. Die 5 Songs der EP sind alle im Zuge der „Summergloom“-Sessions entstanden, fanden aber aus diversen Gründen keinen Platz auf dem Album – sei es, weil sie stilistisch etwas aus dem Rahmen fielen oder nicht rechtzeitig fertig wurden. So klingt „Reverberations Of A Gloomy Summer“ dann auch etwas experimenteller, vielseitiger und stilistisch freier als das letzte Album. 

Mit dem Portishead-Cover „Sour Times“ sowie den beiden Eigenkompositionen „Nothing More To Worry About“ und „Song Of Compassion“ gibt es auf der CD-Variante zudem noch drei Bonus-Tracks, die es bislang nur als Digital-Releases gab. Alle drei Tracks waren im Vorfeld des Albums „Summergloom“ bereits als Digital-Singles veröffentlicht worden, um die Wartezeit auf den Longplayer zu überbrücken. Für die CD-Version, die somit 8 Tracks enthält, wurden auch Mix und Mastering noch einmal überarbeitet. Die CD ist ausschließlich im Winter-Solitude-Shop sowie dem Bandcamp-Shop der Band erhältlich!

Die CD-Release-Party steigt am 30.06.2022 in der Junction Bar Berlin. Bei dieser Show stellen The Halo Trees auch erstmals ihr neues Line-up vor.

Info: www.thehalotrees.com

Kevin Morby – This Is A Photograph

Dead Oceans
VÖ: 13.05.22

Normalerweise bespreche ich keine Singles. Dies ist eine Ausnahme, und zwar aus folgenden Gründen: Mir gefällt schon einmal das textfreie Cover und der adaequat lakonisch gewählte Titel. Mir gefällt, was ich auf der ausgekoppelten Single höre, mir gefällt auch, was es von Kevin Morby, den ich bislang noch gar nicht kannte, sonst wo zu hören gibt, und mir liegen die kompletten Lyrics des fertigen Albums vor, die mir auch gefallen.

Subjektiver gehts nicht, aber es sind nicht einmal zwei Wochen bis zum Erscheinen des kompletten Albums, dann kann sich der geneigte Hörer seinen eigenen Reim darauf machen.

Singer/Songwriter gibt es zuhauf in jedem Städtchen, so auch im schönen Tennessee, jenem US-Bundesstaat, den Kevin Morby seine Heimat nennt, doch er sticht heraus wie eine Moonblume allein durch diesen einen Song, denn, so unterschiedlich er auch interpretiert werden kann, die Sonne geht immer wieder auf.

A RANDOM ACT OF KINDNESS

Out of time,
Out of time, out of money
Out of time, out of money, honey

Out of lust
Out of lust, out of trust
Out of lust, out of trust for the sky above my head

Sun came up, through my hands Sun came up, with no plan
Sun came up, strike up the band

Out of grace
Out of grace, out of style
Out of grace, out of style, can you sit a little while?

Out of dreams, in my head,
So it seems the nightmares will greet me at my bed

Shut me up, if you can
Shut me up, take my hand
Shut me up, be a friend, through a random act of kindness

Out of town
Out of town for a moment
Out of town for a moment, I’ll be back tomorrow

Out of sight, out of nowhere Out of sorrow, out of thin air Out of touch, out of spite Out of loneliness

Out of soldiers in the moonlight
Casting shadows, twirling dancers
Across their bodies, across the water, across the universe

Lift me up, by my hand
Lift me up if you can
Lift me up, be my friend, through a random act of kindness, one that’s done from blindness

Sun came up

Song by Kevin Morby, published by Kevinmorby (ASCAP) administered by Kobalt Songs Music Publishing

Kevin Morby © Chantal Anderson 

In Wien wird er jedenfalls bei seinem Konzert am 11. Juli 2022 im WUK beweisen müssen, dass die Vorschusslorbeeren berechtigt waren.

Gerald Ganglbauer

Spinifex – Beats The Plague

trytone
Amsterdam 2021

Mit Spinifex, diesen lästig-spitzen Grasbüscheln, habe ich vorwiegend in Western Australia Bekanntschaft gemacht. Die Samenkugelchen sind überall und Thongs schützen nicht davor, weshalb ich mir gut vorstellen kann, dass das Corona Virus keine Chancen hat, in dem heiß-trockenen Klima zu überleben. Und wenn es doch einen Versuch wagt, bläst ihm das holländische Sextett mit diesem Lockdown-Album den Gar aus.

Kein Vergleich, keine Ähnlichkeit, oder doch? Spinifex in Amsterdam und Spinifex in Western Australia (Photograph by Hesperian, Wikimedia CC BY-SA 3.0)

Nach drei Coronabedingten Terminverschiebungen waren sie dann doch laut und sehr lebendig im Grazer Stockwerk zu erleben. Mit sechs Mann auf der kleinen Bühne wurde es zwar etwas gedrängt, Jasper Stadhouders quälte seine Gitarre in nur einer Armlänge Abstand zu mir und dem energiegeladenen Philipp Moser, dessen Schlagzeug allein schon die halbe Bühne verschlang. Wir sahen uns regellrecht in die Augen. Diese intime Nähe regte an, mit den Musikern zu kommunizieren, was ich auch tat, wenn ich gerade nicht mit meinem (vorübergehend notwendigen) Gehstock auf den Boden dreschte. Die Ohren schepperten, obwohl Bläser und Schlagwerk ohne Strom auskamen. Es war mitreissend.

In zwei Sets ließen Spinifex das begeisterte Publikum wissen, wie die Pest zu schlagen sei. Mit tracks wie „The Voice Of Dust And Trash“, „Fuck The Pest“ oder „Sex And Pestilence“ bekamen wir musikalische Anleitungen, mit dieser fucking Pandemie zu leben. Alle sechs brachten sich mit kraftvollen Soli ein und diese europäische Mischung aus Musikern überzeugte mit großem Können und experimentellem Einsatz, obwohl keiner von ihnen jemals in Australien war und Spinifex gesehen hat.

Web: spinifexmusic.nl

Gerald Ganglbauer

1zu1 – ehrlich

ATS Records
Molln 2022

Das Album des Linzer Duos wurde mir digital zur Besprechung geschickt. Es kam zu einer Zeit, wo es tagtäglich Releases nur so regnete, weshalb es etwas liegen blieb. Als ich es öffnete, war darin nur einer von 14 Titeln, aber der interessierte mich ausreichend, um es auf einem Tonträger zu bestellen.

Doch wer sind 1zu1? Gudrun Rubini und „St. Ananas“ zeichnen für alle Songs verantwortlich, mit musikalischen Helfern nur auf den Tracks „zuhause“ (Harald Zuschrader, Mitbegründer von „Eela Craig“, von der Band hab ich zwei LPs) und „wíe der wind“ (Ronald Iraschek alias Ronnie Urini und Christian Brand). Diese minimalistische Besetzung sagt einiges, wie auch die Liebe für Pseudonyme.

Die Künstler selbst nennen „Sex, Rock und Liebe“ als die Zutaten zu ihrer Musik und ich kann mir vorstellen, dass Zuhörer bei einigen Songs durchaus guten Sex haben könnten. 1zu1 geben aber zu, dass das Album auch Spuren von Moral und Kritik enthalten könne. Welchen Reim soll man sich darauf machen? Hören wir also rein.

Solider Pop Rock ist das Genre, die Lyrics sind auf Deutsch und würden ein Leaflet vertragen, weil sie manchmal verwaschen klingen. „lass dich doch küssen“ ist eine Anleitung zu Oralsex und ein guter bonking-song / l’amour hatscher. „ich bin ich“ wird etwas schneller und rockiger. „zuhause“ hat Schlager Qualität und kann mit leichter Schräglage auch am Wirtshaustisch gegrölt werden. „halt mich“ ist endlich eine moralische Manifestaion: halt mich fest und lass nicht los … nie wieder, nie wieder, nie wieder.

„motorbootverbot“ erinnert entfernt an eine Verschmelzung von Kurt Gober mit Peter Weibel. Die besten Songs sind schon geschrieben, behauptet der 6. Track. Darauf folgen in unterschiedlichsten Ausführungen weitere Nummern, bis „ehrlich“ nach einem schönen Südseetraum abrupt mit einem digitalen Weckruf verstummt.

Nun will auch ich ehrlich sein. Radioplay und Plattenverkauf wird wohl bescheiden ausfallen, aber ohne das Duo zu kennen kann ich mir sehr gut vorstellen, dass 1zu1 gut und gern live Konzerte in Oberösterreich spielt und dort seinen Fanklub findet.

Opus – Magnum

Opus Music Publishing
Gratwein-Straßengel 2020

Rund 40 Jahre nach „Eleven“ erscheint wieder ein substantielles Album des steirischen Erfolgsunternehmens.

„Mit unserem 16. Werk, einem einerseits kreativen Future-Ausblick und einem andererseits mit vielen emotionalen Erinnerungen verbundenen History-Rückblick wollen wir uns nach 40 Jahren von der Rock & Pop-Album-Szene verabschieden,“ schreiben die vier Mannen im aktuellen Doppelalbum, wobei ich mich frage, wo die anderen Platten geblieben sind, die mit ihrem Debütalbum „Daydreams“ (1980) und der bis heute unübertroffenen LP „Eleven“ (1982) den typischen Opus-Sound festgelegt haben. In der Hauptsache war es der hohen Stimmlage des 1979 per Inserat gefundenen Lead Singers Herwig Rüdisser zu verdanken.

On the Road to Austria Rock

1973 gründete der Ex-Sängerknabe Walter Bachkönig eine Garageband mit Ewald Pfleger und Kurt René Plisnier und die spielten landauf landab das Burgenland und die Steiermark. 1977 war ich im Schlosspark von Kohfidisch beim ersten großen dreitägigen und völlig verregneten Open Air Festival, dort sind Opus noch in der Urbesetzung aufgetreten. Zum von Opus 1978 selbst organisierten Austria Rock Festival in Pinkafeld nahm ich schon ein paar Freunde im Renault 12 mit. Wir teilten uns den Sprit aber fuhren den Tank dennoch leer und schliefen im Acker bis die Tankstelle aufsperrte. Nach der Matura studierte ich Verfahrenstechnik an der TU um die Welt zu retten. Beim Besuch aller erreichbaren Jazz, Rock, Blues und Folk Festivals lernte ich unter anderen Bands auch Opus aus nächster Nähe kennen. Die unkonventionelle Lebensart der Musiker fand ich sehr attraktiv, weshalb ich von der Technik an die Uni wechselte um Kulturjournalist zu werden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Mit 18 der Rockmusik auf der Spur

1984 gelang Opus dann mit „Live is Life“ eher zufällig ein Welthit, den die Spatzen auch heute noch überall von den Dächern pfeifen und der Jahr für Jahr ein schönes Sümmchen an Tantiemen beschert. Geld hat offenbar träge gemacht. Nach einer mit Outzeiten durchlöcherten Periode und Alben, an die sich nicht mehr viele erinnern, weil jeder bei der Erwähnung der Band automatisch „Na – na, na – na – na, all together now“ im Ohr hat, ist ihnen mit „Magnum“ wieder ein sehr solides Album gelungen. Vielleicht hat die Pandemie gedrängt, an die Altersvorsorge zu denken.

Tonight At the Opera Stimme und Moderation Herwig Rüdissser
Mastermind Ewald Pfleger und Tastenguru Kurt René Plisnier

Aber zurück zu „Magnum“. Während sich in 40 Jahren meines Lebens die Welt nicht nur geografisch mehrmals verändert hat, hören sich die neuen (FUTURE) Opus fast so an wie die alten (HISTORY) Opus. Ich hatte die Band für gut 20 Jahre aus dem Radar verloren. Auch der Großteil der Fans beim letzten Konzert in der Grazer Oper war etwa im Alter rund um die Pensionierung, wie Herwig Rüdisser in seiner launigen Moderation feststellte. Gibt es keine Evolution im Austropop? Stirbt die Generation mit dem Retrosound in einer sich verdünnenden „Opusphere“ (Titel Track 1) langsam aus?

Paul Pfleger beim Goodbye Concert 2021

Das wird wohl erst die nächste Generation beantworten können. Ewald Pflegers Nachwuchs ist ein gutes Beispiel. Hören wir also zu, wie Paul in die Zukunft rockt.

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