Es mag unkonventionell sein, die Besprechung des eben erschienenen Debütalbums „Home“ von Tribal Dialects (das sind Patrick Dunst, Sina Shaari, Michael Lagger & Grilli Pollheimer) mit Reflexionen über dessen Verpackung zu beginnen, aber im vorliegenden Fall scheint gerade das der legitimste Einstieg zu sein. Vier Paar bunte Schuhe hat die Künstlerin Azadeh Balash gemalt, achtlos hingeworfene Schuhe, vielleicht jene der vier Jazzmusiker, könnte man sich vorstellen, gerade aus der weiten Welt nach Hause zurück gekehrt.
Eine wunderschöne Metapher für „Heimat“. Man zieht sich die Schuhe dort aus, wo man “daheim” ist. Ich selbst habe mir zum Thema in meinen 25 Jahre fern der Heimat auch so manche Gedanken gemacht. Auf die Schuhe bin ich nicht gekommen. Und die Grafikerin Petra Temmel hat sie wieder in ihre Schuhschachteln gepackt und daraus den Schriftzug für die vier Buchstaben H-O-M-E gebastelt. So hat sie mit diesen Schachteln ein wunderschönes, stimmiges Artwork gestaltet. Im MP3-Zeitalter wahrlich ein Grund, sich doch hin und wieder das eine oder andere Album als Plastikscheibe zuzulegen, auch wenn man sie ohnedies in seine iTunes „Plattensammlung“ kopiert.
Aber nun zur Musik. Im Rahmen der Murszene am Mariahilferplatz waren gestern Patrick Dunst mit zwei von drei Mitgliedern seiner Tribal Dialects auf der Bühne. Nach einem heißen Badetag war mir die Vorstellung angenehm bei Jazzmusik zu chillen, also fuhr ich vorbei, hatte das Glück einen Parkplatz zu finden und war bald in der lauschenden Menge untergetaucht. Leider ohne Kamera, weshalb das Handy für ein paar Fotos herhalten musste. Der Perser Sina Shaari spielte die „Oud“ (eine arabische Laute) als markanten Klangerzeuger für Weltmusik, Grilli Pollheimer sorgte mit wechselnden Perkussionsinstrumenten für den Rhythmus und Patrick Dunst akzentuierte mit Saxofonen, Klarinetten, Flöten und mehr durchwegs lauter Eigenkompositionen des Quartetts, im Encore sogar selber drumboxing (eine Premiere). Das Publikum ging begeistert mit. Hip-Hop meets Jazz.
Als mir Patrick nach dem gelungenen Auftritt vertrauensvoll eine Promo CD des Debutalbums seiner Formation überreichte, war ich noch der Meinung, ich hätte aus dem Stockwerk bereits einmal über ihn berichtet. Sein Name war mir vertraut, aber wir waren uns – nach einer Suche in Gangway – offenbar noch nicht begegnet. Ich hatte allerdings schon ein Album seines Freundes und Pianisten Michael Lagger (von ihm ist das achte Stück „Sehnsucht“ auf „Home“) in Gangway Music vorgestellt und einen Hinweis auf seine Band Tripod in Gangway Specials gebracht. Nun ja, Graz nennt sich zwar die „City of Jazz“, ist aber dennoch eine kleine Stadt, in der jeder jeden über ein paar Ecken kennt. (Six Degrees of Separation.)
Patrick Dunst, der bescheidene Bandleader, ebenso wie ich aus Graz stammend, der in so gut wie alles aus Holz oder Blech hineinbläst und sogar aus einem Grashalm noch bezaubernde Melodien herausholen würde, ist ein sehr sympathischer junger Mann. Das sechste Stück auf dem Album („Prolog/Epilog“) widmet er in einem schlichten Arrangement seiner Heimatstadt Graz, die er, wiederum ebenso wie ich, mit itchy feet verlassen musste. Kollaborationen mit Menschen anderer Teile der Welt sind immer spannend. Ich sehe keine unmittelbare Gefahr in zu vielen Jan Garbareks, die sich Weltmusik auf den Genre-Tag schreiben. Ich schätze den behutsamen Wunsch (persisch: „Arezoo“) nach Frieden auf der Erde, ich genieße die unzähligen Dialekte der Stämme.
„Home“, das erste Album von Tribal Dialects ist ruhig und in sich sehr stimmig, obwohl es sich aus einer Hausaufgabe eines von Patricks Lehrern entwickelt hatte. Es bleibt zu hoffen, dass neue Hausaufgaben weitere Ideen für derart dichtmaschig gewebte fliegende Musikteppiche hervorbringen.