The National – Sleep Well Beast

4AD records
London 2017

Im Mai 2017 gab die Band bekannt, dass das neue Album Sleep Well Beast im September in die wirklichen und virtuellen Regale der Plattenläden kommen würde. Das Album erschien tatsächlich am 8. September 2017 als das siebente der New Yorker Indieband und hat mich wiederum tief berührt.

Um auszuholen: das erste Mal habe ich The National vor rund zehn Jahren als hierzulande noch weitgehend unbekannte Band auf den Grazer Kasematten gesehen, wo mich Matt Berninger fast umgerannt hätte, als er sich auf seinem Publikumsbad mit dem extra langen Mikrofonkabel einen Weg mitten durch die Zuhörer gebahnt hatte. Vojo Radkovic hatte diesen Gig als einen seiner letzten in Graz auf die Bühne gebracht. Sie tourten gerade ihr fünftes Album, High Violet, auf dem der wunderschön traurige Tune Runaway meinen seinerzeitigen Liebeskummer noch um eine Potenz verstärkte. Dann folgte ein steiler Aufstieg bis zum legendären Konzert vor dem Sydney Opera House im Sommer 2014. Warum ich die Band mag, liegt aber nicht nur im Privaten.

The National live am Grazer Schlossberg @ 2010 Gerald Ganglbauer

Matt besitzt eine unverwechselbare Stimme, einen Bariton, der zart und sanft und ab und an auch quer zum Rhythmus die Lyrics in die Musik einwebt. Er wirkt authentisch, weil er auf der Bühne unruhig hin und her jagt, als ob ihm die Zeilen gerade einfielen. Ja, und die Musik selbst ist auch der Band eigen, die vor allem durch die satten Drums des Schlagzeugers Bryan Devendorf geprägt wird. Apropos Besetzung: Bryans Bruder Scott Devendorf bedient Bass und Gitarren, und ein weiteres Bruderpaar, Aaron Dessner, Gitarre, Bass, Keyboards und Bryce Dessner, Gitarre und Keyboard, machen The National fast zu einem Familienbetrieb. Seit der Gründung 1999 ist die Band zu einem gut aufeinander eingespielten Klangkörper zusammengewachsen, kennen sie sich doch schon aus der Studienzeit in Cincinnati, Ohio, wo sie aufwuchsen und in verschiedenen Outfits zusammen gespielt hatten.

Vom nach dem Namen der Band getitelten Debütalbum, das 2001 erschienen ist, bis zu Sleep Well Beast spannt sich Geschichte, in der sich bei den Bandmitgliedern sichtlich so viel getan hat wie in meinem Leben, oder dem ihrer zahlreichen Fans. In High Violet (2010) zeichnete sich die Richtung mit Terrible Love bereits ab. Ihr vorletztes Album, Trouble Will Find Me (2013) zeugte mit dem melancholischen I Need My Girl von den Parallelen in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen.

In der Neuerscheinung mit dem düsteren Cover lesen sich auch die Titel der Tracks wie das Protokoll einer Scheidung – dunkel, pessimistisch und endgültig – denn im Leben wie in Matts Liedern geht es um das Scheitern der Liebe: Nobody Else Will Be There, Day I Die bis hin zu I’ll Still Destroy You und Guilty Party sprechen für sich. Eine der Zeilen: Keinen von uns trifft eine Schuld, wir haben uns einfach nichts mehr zu sagen. Ich würde Matt liebend gerne kennenlernen und Erfahrungen austauschen. Mal sehen ob ich nach New York City komme, oder ihm irgendwo auf der Welttournee der Band begegne, sofern er mich nicht wieder überrennt. Tourdaten sind hier: americanmary.com

Andreas & Katharina Klinger-Krenn – KlingerKrenn

HOERMIRZU
Graz 2016

Ich kenne Andreas „Ondi“ Klinger nun bereits seit einigen Jahren und gebe zu, dass ich ihn mag. Aber die Stimmung, die dieses Debütalbum in der neuen Formation mit seiner Frau in mir evoziiert – dieses abwechselnde Getrieben werden von schnellen Drums und dann wieder Schweben wie auf einem Klangteppich – ist, frei von persönlicher Sympathie, einfach großartig. Vielleicht weil ich beim ersten Abspielen meinte, Matt Berninger zu hören, manchmal auch John Cale, sich aber dann doch ein unverwechselbares Hörerlebnis einstellte, das seinen Ausgang von Klingers Bariton nimmt, in die sich die zartere Stimme Krenns gefühlvoll einbettet.

Wie ist das nun im Einzelnen? Nach einem lieblichen instrumentalen Einstieg, dem siebeneinhalb Minuten „Ascent“ folgt gleich ein Geständnis: „Zumindest sind wir beide Feiglinge“, eine Nummer, deren Geschwindigkeit einen mitzureißen versteht wie Barack Obamas Lieblingsband, The National. Und irgendwann im Tune wechselt das Tempo abrupt und das Duo Klinger und Krenn setzen ihren Sprechgesang akzentuierter fort, bis die rollenden tobenden Drums wieder die Komposition übernehmen. „Puttin‘ it on us“ reminisziert die VIECH-Vergangenheit mit Choral gebrüllten Refrains, überhaupt hat jedes Piece seine ganz spezielle Eigenheit.

Ob der Umzug des Ehepaars Klinger-Krenn von Graz nach Leipzig den Musikstil beeinflusst hat, ist schwer zu sagen. Leichter fällt es mir zu behaupten, dass Vergleichbares in Graz nicht zu hören ist. Aber wie viele Paare machen schon ein Konzeptalbum zu ihrem erstem Hochzeitstag?

„Eine dieser erfundenen Geschichten“ ist so ganz nach meinem Geschmack, schräge Rhythmen (Günther Paulitsch an den Drums und Gabriel Huth am Bass), dunkle Chöre und Refrains wie: „I keep everything for my Baby, I keep everything for my Love“, sind zugleich helle Liebesbezeugungen des jungen Paares. Wie mich das an meine eigene Ehe mit Petra erinnert … „I don’t want you to die“ wird im letzten Tune wie ein Mantra wiederholt und langsam ausgeblendet in die Stille. Der Hörer verharrt eine Weile in ihr und hört im Kopf die Worte nach. Ach, die Liebe …

Andreas Klinger und Katharina Krenn, 29. August 2016 | Foto © HOERMIRZU und Gerald Ganglbauer 2016

Katharina Krenn und Andreas Klinger starten mit diesem Album in ihre gemeinsame musikalische Zukunft. Nach ihrer Hochzeit im August 2015 und der anschließenden Reise durch Frankreich begannen die beiden ihr „Hochzeitsalbum“ zu komponieren und veröffentlichen dieses nun ein Jahr danach, an ihrem ersten Hochzeitstag am 29.8.2016. Andreas und Katharina nennen es „eine emotional tiefgehende Albumproduktion. Das Album spiegelt unseren Alltag wieder, die begeisterte Liebe, die notwendige Gesellschaftskritik, die düsteren Ängste, die aufschreienden Revoluzzer-Pläne. KlingerKrenn, das Album, das sind wir. Straight. Es zeigt unsere Gedanken in den Texten, unsere Emotionen in den Harmonien und unsere Euphorie in den Melodien. Der Spielraum zu improvisieren und der Drang zum Ausprobieren charakterisieren unsere Songs und bilden die Authentizität des Albums.“

Veröffentlicht wird das Album auf dem eigenen Label Hoermirzu und aus Musikindustrie-kritischen Gründen nur digital via Bandcamp, wo ein direkter Kontakt mit den HörerInnen möglich ist: „Ohne Werbung und Abzocke von Drittanbietern! Wir bieten unsere Musik dort gratis zum Streamen an und verkaufen sie als Download. Wer es sich gerne gratis runterladen möchte, kann das gerne per Mail anfragen! Dafür brauchen wir kein iTunes/Spotify/Apple/Amazon.“ – www.hoermirzu.com

The Base – Where is My Weather

Konkord
Vienna 2015

Gestern Abend war ich bei der Release Show des neuen Base Albums Where is My Weather im Grazer p.p.c., einem Venue, den ich bisher nur vom Hörensagen kannte und der sich mir als eine angenehme Überraschung präsentierte. Publikum, wo ich mich nicht als Großvater zu fühlen brauchte (unter anderem steuerte Werner Krause auf mich zu und begrüßte mich herzlich), trotz vollem Haus kein zu großes Gedränge und alles in rauchfreier Luft. Wer unbedingt rauchen musste, konnte das im Ghetto hinter Glas im hinteren Bereich tun. Freundliche Security und Barbedienung, solide Bühnentechnik (ich kletterte beim Fotografieren darin herum), eine geniale Lightshow und perfekter Sound.

Es wurde eine kurzweilige Wartezeit. Mit der üblichen guten Stunde Verspätung erklangen schließlich zwei Rockfetzer hinter dem Vorhang, The Base verschaffte sich Gehör.

The Base, Norbert Wally und Karlheinz Miklin

Bevor mir jemand Befangenheit vorwirft, gestehe ich es gleich vorab: Ich bin zu einem großen Fan von The Base geworden, finde Norbert Wallys Stimme einfach großartig und habe mit ihm sogar ein Duett gesungen (siehe Foto). Allerdings bin ich bekannt dafür, mir weder vor Freund noch Feind ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Gerald Ganglbauer und Norbert Wally im Duett

Wenn nun vom Wetter die Rede ist kommt wohl gleich Crowded House der Finn Brothers aus Neuseeland mit dem Ohrwurm (Take the) Weather With You in den Sinn, dicht gefolgt von unserem eigenen, leider zu früh verstorbenen Joe Zawinul, der seinen Weather Report in die USA exportiert hatte. Vom Wetter zu sprechen, hat etwas triviales an sich, es steht als eine Metapher für Small Talk, wenn man sich nichts zu sagen hat.

Nicht so auf diesem neuen Album, wo es das Konzept eines Tagesverlaufes von wechselhaftem Wetter symbolisieren könnte. Als der Vorhang gefallen war, war der erste musikalische Sturm auch schon vorüber, es hellte auf und das Trio spielte sich durch Regen und Sonnenschein. Unscharf wie das Cover Artwork, aber so waren sie schon bei den vorausgehenden Alben: für jeden etwas. Die wüd’n Hadern wurden von zarten Balladen abgelöst, und ein bissl Französisch wird auch drübergestreut. Wally brillierte und zeigte den breiten Bogen seiner stimmlichen Kapazität, Miklin trommelte mit einer Präzision und Kondition ohne auch nur einen Schweißtropfen, die ich nur bewundern konnte (muss am Mountainbiken liegen) und Klinger trieb die Musik mit seinem Bass voran. Einige Songs der neuen Platte (wie schon zuvor gibt es auch diesen Tonträger auf Vinyl, CD und iTunes) waren bereits im Radio zu hören gewesen und ich wünsche der neuen Wetterstation noch viel mehr internationales Airplay und gute Wetterberichte.

The Base live im p.p.c., Graz 2015 | Fotos: Gerald Ganglbauer

PS.: Bei den im fast zweistündigen Konzert natürlich auch gespielten Tunes aus vorangegangenen Alben war es schön zu beobachten, wie viele der Zuhörer die Lyrics kannten und deren Lippen die Worte dazu formten. Sind ja auch schöne Stücke 🙂

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