Swell / Ullmann / Lonberg-Holm / Zerang – Chicago Plan

Eyes Wide Shut

Nach dem ersten Stück im ersten Set war ich  etwas planlos. Die vier Musiker spielten zwar vom Blatt, aber jeder für sich mit geschlossenen Augen. Mon dieu, war das nun Freejazz, worauf ich mich hier unvorbereitet eingelassen hatte? Keine Spur, den Ohren der Zuhörer im Stockwerk Graz wurden Kompositionen geliefert, die klare Strukturen erkennen ließen, wenngleich diese auch ständig wechselten. Creative Jazz aus den United States war eben anders als europäischer oder australischer Jazz.

ChicagoPlan - 9

Aber es passte alles zusammen, was man sich an ungewöhnlichen Symbiosen nur vorstellen konnte. Angefangen bei der Instrumentierung. Ich hatte noch kein Chello (und Electronics) in einem Jazz Quartett gesehen. Aber was Fred Lonberg-Holm (55) mit seinem „geschrumpften Bass“ zupfte, strich, kratzte und quietschte, passte. Eine drei-saitige Gitarre, die ihm sein Vater gebastelt hatte brachte ihn zur Musik, wie er mir in der Pause erzählte. Und der Mojo, mit dem der in Chicago gebürtige Drummer Michael Zerang (auch er wird heuer 60) die Rhythmen sammelte, vorantrieb und wechselte, passte ebenso. Der Mann, dessen Haar wie Rapunzel bis zum Boden reicht, ist auch Komponist und spielte Schlagzeug mit zahlreichen Bands von kreativem Jazz über Weltmusik bis zu Rock und mehr, und es passte. Der 60-jährige Berliner Import Gebhard Ullmann, bestückt mit Tenorsaxofon und Bassklarinette noch der „normalste“ im Jazz Quartett, passte natürlich. Und Steve Swell aus Newark/New Jersey, der mit 64 Jahresringen älteste der vier, hielt die Augen ebenfalls geschlosssen, wenn er seinen Körper mit der Posaune bis zum Boden schwingen ließ, und auch das passte.

Variations on a Master Plan. Das macht Lust auf eine Reise nach Chicago, denn dort gibt es Creative Jazz vom feinsten, wie dieses Quartett. 2016 erschien Chicago Plan, ein selbst betiteltes Debütalbum bei Clean Feed. Davor hatte jeder der vier schon zahlreiche CDs in anderen Gruppierungen und Projekten aufgenommen. An diesem Abend war Chicago in Graz und hat die Zuhörer musikalisch bereichert, wofür Otmar Klammer zu danken ist. Die Stadt Chicago wird dennoch ein Reiseziel auf meiner Bucket-List bleiben.

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