Deep Purple – Whoosh!

Ear Music
London 2020

Das Phänomen „Deep Purple“ lässt sich am besten mit der Relativitätstheorie erklären. Man nehme eine britische Rockband in den 70ern, und schicke sie – whoosh! – mit Lichtgeschwindigkeit auf eine Zeitreise durch den gekrümmten Raum des Rockuniversums, dann wird sie scheinbar um nichts gealtert bei ihrer Rückkehr genau so klingen wie zuvor, während ich ein alter Mann geworden bin. So oder so ähnlich hat Albert Einstein sich das ausgetüftelt um die Zeit zu relativieren.

Ich hatte das Privileg, diese Band als Teenager in Graz live zu erleben, und kann die Theorie nun im Vergleich bestätigen. Die Hardrocker um Sänger Ian Gillan, Roger Clover (Bass) und Ian Paice (Schlagzeug) klingen nach einem halben Jahrhundert ebenso frisch wie am ersten Tag, wenngleich sich auch nach dem zweiten Durchhören noch keine so unverkennbaren Riffs eingeprägt haben, wie das auf der Hammond-Orgel getastete Bam-bam-bam in „Child in Time“ oder das Gitarren-Riff zu „Smoke on the Water“, in dem wohl jeder über 50 sofort und ohne Zweifel Deep Purple erkennt. Schade, dass Bandgründungsmitglied Jon Lord 2002 verstorben ist. Für ihn ist Don Airey zur Band gekommen.

Ich weiß nicht, ob die heutige Jugend mit Hardrock so vertraut ist wie unsere Generation, denn „Made in Japan“ (1972) fand sich in der Plattensammlung jedes Babyboomers, und ich habe sogar noch die LP „Shades of Deep Purple“ (1968). Nun liegt mit „Whoosh!“ das 21. Album vor, gepaart mit einer violetten DVD mit einem Interview und einem Live Konzertmitschnitt vom Hellfest 2017, und setzt damit ein kräftiges Lebenszeichen dieser Musikrichtung(en). Ich bin überzeugt davon, dass Rock (Hard Rock, Heavy Metal, Rock, Progressive Rock, Bluesrock, Funk Rock) Schulter an Schulter mit Jazz und Classics – fester Bestandteil der Musiklandschaft dieses Planeten bleiben wird. Deep Purple sei gedankt.

Official website – www.deep-purple.com

Gerald Ganglbauer

Badhoven – All the World’s a Fake

ATS Records
Molln 2019

Badhoven machen seit über 20 Jahren soliden (Retro-)Rock mit englischen Lyrics, haben in Graz eine kleine aber feine Fangemeinde aus Heavymetalrockfans in meinem Alter, aber sind international kaum bekannt. Rammstein machen seit über 20 Jahren soliden deutschsprachigen (Industrial-)Rock, haben weltweit Millionen meist jugendlicher Fans und bespielen die großen Bühnen der Welt vom Madison Square Garden in New York bis zum Big Day Out in Australien (wo ich sie 2008 live erlebt habe). Ein unfairer Vergleich?

Badhoven haben zu ihren Hits low-budget Videos gemacht, die nett sind aber niemand vom Hocker reissen, Rammstein haben provokante Minifilme in Hollywood Qualität zu ihren Liedern gedreht, von Computer generierten Bildern in Dante’s Inferno über einen Dicke verarschenden Auftritt in Fettanzügen bis zu „Deutschland“, in dem überhaupt alle Klischees der Deutschen Nation überspitzt werden, und schließlich zu einer Afrika-Reise im jüngsten Clip „Ausländer“. Wieder ein unfairer Vergleich?

Badhovens Lead Singer Kurt Christian ist ein höflicher, gut aussehender Mann mit einer großartigen Rockröhre, der keinen Wert auf eine schrille Lightshow legt. Rammsteins Till Lindemann macht auf häßlich und inszeniert sich auf der Bühne mit brachialer Gewalt und viel Feuer und Flamme in einer einzigartigen Show, von der man noch lange spricht. Dabei hat er eigentlich keine gute Singstimme, sondern einen tiefen, mit dem „R“ rollenden Sprechgesang.

Der geneigte Leser weiß mittlerweile, worauf ich hinaus will. Badhoven sind brave Jungs – davon zeugt allein schon eine ganze Seite Danksagungen, Rammstein böse Kerle – die aber dafür die große Kohle machen.

Soweit die etwas ausschweifende Einführung zum Melodic Hardrock der fünf Grazer, mit denen mich eine Freundschaft verbindet, seit wir zusammen zwei Nummern für die „Parkinsong Duets“ aufgenommen haben, die auch auf ihrem neuen Album als Bonustracks zu finden sind.

Mario Pohn, Gerd Sojka, Kurt Christian, Gerald Ganglbauer, Flo Verant und Gerhard Paar

Ich bin mit Rockmusik aufgewachsen, also mit Krautrock, Psychodelic Rock, Symphonic Rock, lange bevor aus dem Headbanging „Tanzmetall“ (Eigenbezeichnung Rammsteins) wurde. Mir bedeuten diese Schubladen eigentlich nichts, denn meine Kriterien sind viel einfacher: Entweder drehe ich auf – oder ab.

Badhoven spiele ich laut. Womit alles gesagt ist, denn für Details wie die coolen Gitarrensoli von Mario Pohn (2021 ebenbürtig ersetzt durch Günter Schablas), den treibenden Bass von Flo Verant, den geilen Retrosound von Gerhard Paar an den Keys, oder die Drumstick-Akrobatik des Schlagzeugers Gerd Sojka bin ich zu befangen.

„All the World’s a Fake“ (der Titel ist inspiriert von der steigenden Zahl von Fake News) ist definitiv ein hörenswerter Stream oder Download für Rockfans. Auch zu haben als CD im 6-seitigen DigiPak mit der Grafik von Andy Gangl.

Bandseite: badhoven.com

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